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Sehen lernen: Wie du Motive findest, wo andere nichts sehen

„Wer sehen kann, kann auch fotografieren. Sehen lernen kann allerdings lange dauern.“

Mit diesem Werbespruch hat ein namhafter Kamerahersteller schon vor längerem den Nagel auf den Punkt getroffen und eine tiefsitzende Wahrheit über Fotografie für sein Marketing verwendet.

Tatsächlich ist von allem, was man über Fotografie lernen kann das „Sehen“ vermutlich der ausschlaggebendste Unterschied zwischen „ganz hübschen Fotos“ und echten Meisterwerken.​​

Wollen wir diesen langen Weg, (der nie wirklich endet, sondern sich immer nur anders entwickelt) mal ein wenig beschleunigen.

Zu diesem Thema haben wir hier übrigens auch ein Youtube Video:

Und neu im Shootcamp, einen kompletten Kurs: https://shootcamp.at/sehen-lernen

Mit dem richtigen Verständnis für dich selbst, deine Ausrüstung, Licht, Formen, Farben, Muster, Texturen, Geschichten, Momenten usw. wird sehen lernen gelingen und du wirst drastische Verbesserungen in deinen Fotos erkennen.

(Und anhand der zahlreichen Punkte, die hier auftauchen, zeigt sich, warum sehen lernen ein langer Prozess sein kann.

Elliot Erwitt - Leica
Elliot Erwitt – Leica

Warum sehen lernen, das kann ich doch schon!?

Wir nehmen an – zu Recht – dass wir doch ohnehin schon “sehen können”.

Was soll man daran also lernen?

Es sind die kleinen Details, die hier einen gewaltigen Unterschied ausmachen.

Fakt ist – Jedes Mal, wenn du durch den Sucher deiner Kamera schaust, trittst du in einen Dialog mit deiner Umgebung.

Entscheidend ist, ob du das bewusst machst, oder “fremdgesteuert” nur reagierst.

Im Idealfall wählst du bewusst aus, was du aufnehmen und was du weglassen willst, du interpretierst, was du siehst und wie du es darstellen möchtest. Und hier ergibt sich in der Fotografie eine tiefere philosophische Ebene, die weit über das rein Technische hinausgeht.

sehen lernen Van Ho
Van Ho – er hat meisterhaft mit Licht und Schatten gespielt und sie mit Geschichten kombiniert

Diese Fähigkeit in deiner Umgebung Dinge zu sehen, die anderen entgehen, Motive zu finden, wo andere sie nicht erkennen, Geschichten und Momente wahrzunehmen, die flüchtig sind und in etwas alltäglichem ein schönes Bild zu finden muss (und kann) man lernen.

Unser Ziel ist also nichts Geringeres, als

1. Zu verstehen, wie du jetzt siehst (Prägung, Stimmung, usw.)
2. Deine Wahrnehmung zu verändern, damit du mehr siehst
3. Die neuen Fähigkeiten mit fotografischen Werkzeugen zu kombinieren, um das was du siehst in Fotos festzuhalten und abzubilden.

Wenn dir diese Schritte gelingen und du sie immer wieder von vorne durchgehst, wird sich deine Fotografie laufend verändern und verbessern.

(Genau dazu arbeiten wir gerade an einem Kurs „Sehen lernen“. Wenn du mehr darüber wissen möchtest, hier lang: https://shootcamp.at/sehen-lernen)

William Eggleston – Ein Meister darin, aus dem unscheinbaren interessante Fotos zu gestalten

Achtsamkeit und Fotografie

Einer der ersten Schritte in diese Richtung ist „Achtsamkeit“.

(Schon im Shootcamp Basiskurs haben wir auf die “Achtsamkeitsübung” im Kursdie meisten Rückmeldungen bekommen, wie viel diese vermeintlich unscheinbare Übung bei den Teilnehmern bewegt hat.)

Achtsamkeit hat in den letzten Jahren in vielen Bereichen an Bedeutung gewonnen.

Wir sind ständig abgelenkt und beschäftigt. Ob im Außen oder im Innen. Das macht uns ein wenig “blind” für Neues.

Achtsamkeit bedeutet, sich bewusst und ohne zu urteilen auf den gegenwärtigen Moment zu konzentrieren. In der Fotografie erlaubt uns Achtsamkeit, uns voll und ganz auf unsere Umgebung zu fokussieren und die Feinheiten und Details zu erfassen, die sonst vielleicht übersehen werden.

Einfache Übungen können helfen, Achtsamkeit in deine Fotopraxis zu integrieren.

Wenn du nächstes mal den Auslöser drücken willst, warte kurz und schau dich um:
– Könntest du noch warten, bis hier etwas Interessanteres passiert?
– Gibt es etwas, das noch ins Bild sollte?
– Gibt es etwas, das nicht ins Bild muss (weniger ist mehr)
– Kannst du deine Perspektive noch ein wenig interessanter gestalten?

Das ist nur ein kleiner Teil von Fragen, die du dir dabei stellen kannst. Und du wirst sehen, mit der Zeit führt eines zum anderen und allein diese Form der Achtsamkeit verändert etwas an deinen Fotos.

Irving Penn - sehen lernen
Irving Penn – https://irvingpenn.org

In neuen Umgebungen gelingt uns das meist wesentlich leichter. Sind wir z.b. in einer fremden Stadt, noch dazu im Urlaub, dann haben wir Zeit und Offenheit um Neues zu sehen.

Je gewöhnlicher und gewohnter deine Umgebung, desto erstaunlicher kann diese Übung enden.

Nimm deine Kamera (oder dein Smartphone) z.b. auf deinen täglichen Wegen mit, wo du glaubst schon alles gesehen zu haben.

Und dann mach dich auf die Suche nach Dingen, die du bisher nicht gesehen hast.

Entscheide dich idealerweise im Voraus, worauf du dich heute konzentrieren möchtest.

Du könntest z.b.

– Schatten
– Geometrie
– Farbkombinationen
– Spiegelungen
– usw.

als dein Ziel festlegen. Und dann nur danach Ausschau halten.

Möglicherweise ist das zu Beginn noch etwas frustrierend. Aber dann hör auch genau hin.

Hör gut auf dich selbst.
Bist du wirklich im Moment?
Bist du abgelenkt?
Sind deine Gedanken irgendwo anders?

Je öfter und länger du diese Übung machst, umso “meditativer” wird sie werden.

Du wirst dir angewöhnen mehr im Moment zu sein. Und das ist eine sehr wichtige Fähigkeit in der Fotografie. Wer mehr im Moment ist, nimmt mehr wahr, hält mehr fest und macht somit interessantere Fotos.

Sehen lernen - Alex Webb
Alex Webb, Nuevo Laredo, Tamaulipas (MEXICO), 1996 © Magnum Photos/Alex Webb

Die Rolle des Lichts beim sehen lernen

Kein Element hat einen größeren Einfluss auf ein Foto als das Licht.

Es formt das Motiv, erzeugt Stimmungen und führt den Blick des Betrachters. Die Qualität des Lichts kann ein Foto machen oder brechen. Wir haben dazu einen ausführlichen Artikel der dir zeigt, wie ein paar “Meister des Lichts” damit arbeiten.

Hartes, direktes Licht erzeugt starke Kontraste und Schatten, weiches, diffuses Licht hingegen verleiht einem Foto eine sanfte, ausgeglichene Ästhetik.

Dabei spielt auch die Richtung, aus der das Licht auf dein Motiv trifft, sowie die Farbe des Lichts eine entscheidende Rolle.

Wichtig ist einzusehen: Es gibt kein “schlechtes Licht”. Nur solches, mit dem du (noch) nicht umgehen kannst, oder das nicht zu dem Foto passt, das du gerade im Kopf hast.

Vielleicht kannst du aber damit ein anderes Foto machen, als geplant. Offenheit ist auch hier wichtig.

Jedes Licht bietet einzigartige Möglichkeiten und Herausforderungen, und die Fähigkeit, das vorhandene Licht zu lesen und effektiv zu nutzen, ist eine der wichtigsten Fähigkeiten, die du in der Fotografie entwickeln kannst.

Ignoriert aber wichtig: Schatten

So oft wird über Licht geredet. Seine Qualität, Richtung, Farbe, usw..

Aber kaum jemand spricht über den Schatten. Dabei kann er so viel mehr, als wir denken.

Nicht nur kann Schatten etwas verstecken, das wir nicht zeigen möchten, das das Bild stören oder den Betrachter ablenken würde.

Schatten kann auch Dinge hervorheben.

Wenn du direkt neben einem Schatten eine Farbe ins Bild holst, wirst du staunen, wie viel mehr diese Farbe plötzlich strahlt.

Wenn du Schatten gezielt einsetzt um das Auge aufs Motiv zu lenken, wird das unterbewußt so viel angenehmer wahrgenommen und das Foto wird allein dadurch schon viel interessanter.

Sascha Van Der Werf ist ein gutes heimisches Beispiel dafür:

Sascha van der Werf – Österreichischer Fotograf (www.van-der-werf.com) legt großen Wert darauf mehr an sich selbst und dem Blick fürs Motiv zu arbeiten, als an der Technik rundherum. Seine Ergebnisse sprechen für sich.

Das Mißverständnis mit „Kreativität“

Wenn wir über sehen lernen reden, müssen wir auch über Kreativität reden.

Kreativität ist oft mit dem Vorurteil behaftet, dass sie etwas spontanes, chaotisches ist, dass sie sich nicht zähmen oder lenken lässt.

Tatsächlich aber ist Kreativität ein planbarer, erlernbarer Prozess.

Mein Lieblingszitat zum Thema “Inspiration und Kreativität” stammt von einem Buchautor. (Genaugenommen wird er mindestens 10 Autoren zugeschrieben und scheinbar weiß niemand so genau, wers zuerst gesagt hat. ist aber auch nicht so wichtig. Der Inhalt zählt)

„Ich schreibe nur, wenn die Inspiration zuschlägt. Zum Glück schlägt sie jeden Morgen um 9 Uhr zu.“

Wenn wir warten, bis wir inspiriert oder motiviert genug sind, wenn uns “die Idee” zufliegt und alles wie von alleine läuft, kann es sein, dass wir lange warten und nichts passiert.

Motivation folgt immer der Aktion, nie umgekehrt.

Wenn wir also rausgehen und sehen lernen und es täglich üben, dann erhöhen wir jeden Tag die Wahrscheinlichkeit, dass aus den zahlreichen ungeglückten Versuchen plötzlich etwas entsteht.

Wir müssen dafür raus und mit unserer Kamera Spaß am lernen, üben, entdecken aber auch am “scheitern” haben.

Das Thema sehen lernen ist ein sehr umfangreiches und kann dich dein Leben lang begleiten (vor allem, solang du fotografierst.)

Halt die Augen, das Herz und den Verstand offen, leg dir einen klaren Plan zurecht, was du gezielt fotografieren möchtest, wenn du das Haus verlässt (Pläne kann man ja unterwegs jederzeit ändern 😉 und vor allem – schau dir deine Bilder auch rückblickend immer wieder an.

Reflektieren ist ebenfalls ein wichtiger Bestandteil des sehen Lernens.

Du wirst rückblickend deutlicher sehen, was du damals gesehen hast. Du wirst erkennen, was sich verändert hat. Und so wirst du schneller weiterkommen.

Hab Spaß daran 😉

Neu im Shootcamp – der auführliche Kurs „Sehen lernen: shootcamp.at/sehen-lernen

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